|
Rainer Buchty, der Erfinder vieler SQ80- Modifikationen
|
|
|
Rainer Buchtys Forschergeist ist es zu verdanken,
daß ESQ-1/SQ80-Besitzer ihren alten Schätzchen noch ein wenig neues Leben in
Form einer Betriebssystem- Frischzellenkur verpassen können. KEYS sprach mit
Rainer Buchty, der Diplom-Informatiker an der TU München ist.
KEYS: Rainer, was um alles in der Welt hat Dich dazu getrieben, das
Innenleben einer so alten Maschine wie dem SQ80 zu erforschen?
Rainer Buchty: 1997 wollte ich meinem SQ80 eigentlich nur zu Einzelausgängen
verhelfen. Natürlich gab's den Nachrüstsatz längst nicht mehr und Ensoniq
wollte keinerlei technische Informationen rausrücken. Also schnappte ich mir
ein Multimeter und fing an, den Schaltplan mühsam per Leitungsprüfer
herauszupiepsen.
Gleichzeitig fing ich auch an das Betriebssystem zu entschlüsseln. Dabei
stellte sich schnell heraus, daß ESQ-1 und SQ80 praktisch identische
Maschinen sind und es für einen Bastler durchaus möglich ist, den ESQ-1 zum
SQ80 aufzurüsten.
KEYS: Was für Möglichkeiten hast du denn bei deinen Expeditionen ins
SQ80-Betriebssystem gefunden?
Buchty: Zuerst einmal gibt es eine Reihe undokumentierter Funktionen,
die man erreicht, indem man RECORD zusammen mit einem anderen Taster drückt.
Wirklich wichtig ist hier der Factory Reset (RECORD + SOFTBUTTON #1), denn
nur mit ihm kann man einen richtig abgestürzten SQ80 reanimieren. Mit
RECORD + COMPARE kann man die Funktionsfähigkeit von Pitchbend,
Modulationsrad, Pedal und Dateneingaberegler überprüfen, RECORD + FILTER
stimmt das analoge Filter, RECORD + MASTER schließlich zeigt die Version des
Betriebssystems an.
Aus klanglicher Hinsicht interessant sind die "Hidden Waveforms". Es
verwundert schon etwas: Zwar besitzen ESQ-1 und SQ80 nur 32 und 75
Wellenformen, beide Synthesizer sind jedoch darauf ausgelegt, 256
Wellenformen zu verwalten und zeigen die "verborgenen" Wellenformen als
WAV32- WAV255 beziehungsweise WAV75-WAV255 an. Diese Wellenformen sind
allerdings nur über externe Editoren oder eine Modifikation des
Betriebssystems, wie ich sie auf meiner Homepage anbiete, zu erreichen.
Die "Hidden Waveforms" sind jedoch keine neuen Waves, sondern lesen
lediglich die vorhandenen Samples anders aus. Durch extreme
Klangdatenparameter werden Samples neu zusammengesetzt, abgeschnitten, vom
falschen Startpunkt abgespielt oder mit einer falschen Tonhöhe
wiedergegeben.
|
|
Was dabei raus kommt, sind meist rauhe, röchelnde Waves, die ihren Charakter
oft mit jeder 8-Tasten-Zone gravierend ändern, so daß man durchaus den
Eindruck hat, es handele sich hierbei um zusätzliche Wellenformen.
Für die gängigsten Modifikationen des Betriebssystems habe ich zwei Seiten
ins Netz gestellt (www.buchty.net/ensoniq), womit man die Betriebssysteme
von ESQ-1 und SQ80 ohne Probleme verändern kann. Wer also mit "Hidden
Waveforms" direkt am Gerät experimentieren oder einfach nur einen eigenen
Einschalttext haben will, muß lediglich die erzeugten Image-Files
herunterladen und in zwei EPROMs (27C256) brennen und die vorhandenen
OSLO/OSHI EPROMs durch diese zwei ersetzen. Wer keinen Brenner hat, kann
sich aber auch direkt per E-mail an mich wenden.
KEYS: Was willst Du in Zukunft noch aus dem SQ80 hervorholen?
Buchty: Auch wenn es furchtbar unbescheiden klingt: einiges. Die
Einzelausgangserweiterung ist im Prinzip fertig, momentan bastle ich aber
viel lieber an einem Clone des Soundchips -- das ehrgeizige Ziel hierbei ist
die Erweiterung des Wellenformspeichers und vielleicht sogar Sample-RAM.
Auch interessant wäre ein Nachbau des Display/Panel-Prozessors, denn dieser
stirbt offenbar sehr gerne. Verpaßt man diesem dann noch ein LCD-Interface,
so stünde einer Rackversion nichts mehr im Wege. An sonstigen Spinnereien
fallen mir spontan die Aktivierung des vierten Oszillators pro Stimme (der
Soundchip kann nämlich 32 Stimmen und nicht nur 24 erzeugen) und das
DOS-Filesystem (FAT12) für die SQ80 Disketten ein. Diese könnte man im
Prinzip ohne extra Hardwareaufwand realisieren, man müßte "nur" das
Betriebssystem patchen.
In dem Zusammenhang der Aufruf: Leute, schickt mir Eure defekten SQ80 und
ESQ-1 anstatt sie auf dem Wertstoffhof zu entsorgen! Ob und welche Projekte
jemals fertig werden, ist allerdings die große Frage. Die Bastelei ist ein
reines Hobby, Mitstreiter habe ich leider keine, und wenn mich morgen die
Lust verläßt, sterben natürlich auch all diese Projekte.
|
|